Der Pipeline-Plan

Warum Irans Drohung mit der Öl-Waffe sinnlos ist

Immer wieder droht Iran im Streit um sein Atomprogramm damit, im Falle eines israelischen oder US-amerikanischen Angriffs die Straße von Hormus zu blockieren. Viele westliche und nahöstliche Medien stoßen ins gleiche Horn und beschwören Bilder brennender Öltanker und einer Ölkrise im Westen herauf. Die Meerenge am Ausgang des Persischen Golfes ist das Nadelöhr, das alle Öltanker aus den Golfstaaten passieren müssen.

Aber die Ölwaffe ist stumpf. Längst hat Saudi-Arabien Vorkehrungen getroffen, die dafür sorgten, dass der Iran der einzige Geschädigte einer solchen Blockade wäre. Schon während des iranisch-irakischen Krieges in den 1980er Jahren hatte der Iran im so genannten „Tanker-Krieg“ irakische und kuwaitische Öltanker mit Schnellbooten und Kampfflugzeugen angegriffen. Seitdem hat Teheran die Inseln in und am Eingang der Straße von Hormus militärisch weiter ausgebaut und dort zudem nordkoreanische Cruise Missiles vom Typ Silkworm stationiert.

Das Nadelöhr
Zwischen der Nordspitze des Oman auf der arabischen Seite und der Hafenstadt Bandar Abbas auf iranischer Seite verengt sich der Persische Golf auf eine Breite von 60 Kilometern. Zahlreiche Inseln in der Meerenge von Hormus verringern die für Schiffe effektiv nutzbare Breite auf rund 20 Kilometer. Der Verkehr durch die Wasserstraße ist streng geregelt: Einfahrende wie ausfahrende Schiffe müssen einen eigenen, zwei Seemeilen (3,6 Kilometer) breiten, Korridor benutzen, beide Korridore sind durch eine zwei Seemeilen breite Pufferzone getrennt.

Aufgrund der geringen Meerestiefe sind Tanker in der Straße von Hormuz auf zwei schmale Korridore beschränkt

Pro Tag passieren etwa 16,5 Millionen Barrel (1 Barrel entspricht 159 Litern) Rohöl auf Tankern die Straße von Hormus. Das Öl stammt aus den Anrainerstaaten des Persischen Golfes, aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (2 Mio. Barrel), Saudi-Arabien (8 Mio. Barrel), Kuwait (2 Mio. Barrel), Irak (2 Mio. Barrel) und Iran (2,5 Mio Barrel). Am Weltrohölbedarf von etwa 85 Millionen Barrel pro Tag stellt dies einen Anteil von mehr als 19 Prozent dar.

 

Das Problem

Der Großteil des Öls, das auf Schiffen durch die Meerenge transportiert wird, wird mit so genannten VLCCs (Very Large Crude Carrier) transportiert. VLCCs sind rund 350 Meter lange Supertanker mit einer Ladekapazität bis zu etwa 300.000 Tonnen. Größer als diese Schiffe sind nur noch ULCCs (Ultra Large Crude Carrier) mit Längen bis 458 Metern und einer Ladekapazität von 550.000 Tonnen. Allein die staatliche saudische Ölfirma ARAMCO besitzt 20 VLCCs und 5 ULCCs zum Transport des Rohöls.

Zwei VLCCs und drei SUEZMAX Tanker am Terminal von Yanbu

Die Supertanker sind mit ihrer gewaltigen Größe bei Geschwindigkeiten von höchstens 15 Knoten (27 Stundenkilometer) leichte Ziele für Raketen, Cruise Missilies und Torpedos. Zwar kann ein einzelner Treffer noch keinen Supertanker versenken, einem massiven Angriff hielte das Schiff jedoch nicht stand. Schon ein oder zwei Tanker, die havariert in der Straße von Hormus trieben, blockierten die Schiffspassage vollständig. Zudem hat Iran sämtliche Inseln in der Straße und im Golf selbst zu Cruise Missile-Basen ausgebaut und mit Bunkern überzogen. Selbst wenn Tanker im Konvoi und unter militärischer Bedeckung führen, wären sie in ständiger Gefahr.

Der Ausweg

Die Gefährdung der Straße von Hormus ist aber schon seit gut 30 Jahren allen beteiligten Regierungen bekannt. Auch der Ausweg aus dem Dilemma, zwar auf Unmengen Öl zu sitzen, es aber nicht exportieren zu können, ist längst gefunden. Allerdings legt Saudi-Arabien keinen gesteigerten Wert darauf, dass dies breitgetreten wird. In aller Stille hat das Wüstenkönigreich in den letzten 20 Jahren seine Pipeline-Kapazität ausgebaut. Grundlage war ein Strategiepapier von 1999 mit dem Titel An Alternative Pipeline Strategy in the Persian Gulf. Die gesamte saudische Ölproduktion und auch ein Teil der Produktion der anderen Golf-Anrainerstaaten kann im Falle eines Falles quer durch die saudische Wüste zum Roten Meer gepumpt werden. Dort schlummert in Gestalt des Hafens von Jenbo der größte Ölterminal auf Erden. Er stellt sozusagen ein weitgehend ungenutztes Duplikat der gesamten Exportinfrastruktur am Golf dar.

Petroline ans IPSA

Petroline und IPSA verlaufen parallel durch die arabische Halbinsel

Die in Ost-West-Richtung verlaufende Petroline hatte schon in den 1990er Jahren eine Kapazität von fünf Millionen Barrel pro Tag. Passend dazu konnten an den vier Tankvorrichtungen in Jenbo pro Tag knapp fünf Millionen Barrel verladen werden. Genutzt wurde und wird davon jedoch nur ein Bruchteil: Vermutlich nur 500.000 Barrel werden pro Tag in Jenbo verladen. Dennoch hat die Regierung in Riad den Hafen und die zugehörige Pipeline nach 1999 massiv ausgebaut. Durch die Petroline können nun rund 10 Millionen Barrel pro Tag gepumpt werden. Jenbo erhielt zwei zusätzliche Betankungsanlagen und kann nun pro Tag rund 7,5 Millionen Barrel Öl in VLCCs verladen.

Ein VLCC und ein AFRAMAX Tanker am Terminal von ras al Muajjiz

 

Trumpfkarte Irak

Hinzu kommt noch eine weitere Pipeline: Die „Iraqi Pipeline in Saudi Arabia“, kurz IPSA genannt. Die Pipeline hatte der Irak während des Krieges gegen den Iran in den 1980er Jahren gebaut. Sie verläuft vom irakisch-kuwaitisch-saudischen Grenzdreieck im Norden Saudi-Arabiens bis nördlich der saudischen Hauptstadt Riad, wo sie auf die saudische Petroline trifft. Von dort folgt IPSA der Petroline-Trasse bis zum Roten Meer und mündet gut 20 Kilometer südlich von Jenbo im Hafen von Ras Al Mu’ajjiz. Die Pipeline hatte ursprünglich eine Kapazität von 1,6 Millionen Barrel pro Tag. Auch sie wurde ausgebaut und kann nun 4 Millionen Barrel pro Tag befördern. Um sie selber nutzen zu können, ließ Saudi-Arabien zudem einen zusätzlichen Anschluss von IPSA an die zentrale saudische Pumpstation von Abqaiq bauen. Analog dazu erhielt der saudische Hafen von Mu’ajjiz eine weitere Füllstation für VLCCs.

Für den Fall einer Blockade der Straße von Hormuz könnte Saudi-Arabien damit kruzfristig auf eine Pipeline-Kapazität von rund elf Millionen Barrel pro Tag zurückgreifen. Dies übersteigt die gesamte saudische Ölproduktion von neun Millionen Barrel pro Tag, so dass sogar noch Öl aus anderen Golfstaaten mitgepumpt werden könnte. Auch der Irak verfügt noch über eine Alternative zum Seeweg: Von kurdisch-irakischen Kirkuk im Norden des Landes verläuft eine weitere Pipeline zuerst nach Norden auf türkisches Gebiet und von dort zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Kapazität dieser Pipeline: 1,65 Millionen Barrel pro Tag.

Umleitung für die Vereinigten Arabischen Emirate

Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben auf die permanente Bedrohung reagiert. In den 2010er Jahren haben die reichen Ölförderlländer am Persischen Golf selbst eine Pipeline gebaut. Sie führt von der Pumpstation Habshan im Westen Dubais quer durch die VAE und das Randgebirge im Osten an die Küste des Emirats Fujairah am Golf von Oman. Mit vier Millionen Barrel pro Tag kann die Pipeline die gesamte Ölproduktion der VAE zum Ölterminal von Fujairah transportieren.

Das zugehörige gigantische Tanklager in Fujairah hat eine Kapazität von 55 Millionen Barrel. Inzwischen exportieren die VAE ihre gesamte Produktion über Fujairah, weshalb sie die Drohung mit der Schließung der Straße von Hormuz ohnehin kalt lässt.

Two AFRAMAX at the Fujairah Terminal

Zwei AFRAMAX und ein Product Tanker am Fujairah Terminal

 

Katastrophe für den Iran

Insgesamt stünden somit im Fall einer Blockade von Hormus rund 14 Millionen Barrel Pipeline-Kapazität am Persischen Golf zur Verfügung. Bei einer Exportmenge von 14 Millionen Barrel pro Tag, die umgeleitet werden müsste, wären die Einbußen für alle beteiligten Staaten null. Nur eines der ölproduzierenden Länder am Persischen Golf hat keinen Anschluss an das Pipeline-Netz: Iran. Für die Regierung in Teheran bedeutete die Blockade der Straße von Hormus deshalb einen 100prozentigen Exportausfall.

Die Folgen wären drastisch: Schon nach einem Monat würde im Iran das Benzin knapp, weil das Land zwar Öl fördert, aber nicht genügend Raffineriekapazität hat, um seinen Spritbedarf zu decken. Iran ist deshalb ein Nettoimporteur von Benzin. Auch der Ausfall der Exporteinnahmen träfe das Land schwer, der Regierung in Teheran drohte über kurz oder lang der Bankrott, denn Öl ist der einzige nennenswerte Exportartikel des Landes und trägt mit 85 Prozent zum Staatshaushalt bei. Eine Blockade von Hormus wäre deshalb für den Iran gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Selbstmord.

SPIEGELeien

Heute macht der SPIEGEL oder genauer gesagt SPON mit Panik auf: „USA schicken zweiten Flugzeugträger nach Korea“ titeln die Hamburger. Allerdings ist das ein falscher Alarm. Die USS Ronald Reagan hat planmäßig ihre viermonatige Hafenliegezeit beendet und kehrt jetzt wie geplant in den Einsatz zurück. Die USS Carl Vinson hat ihr sechsmonatiges Deployment fast hinter sich, wird im Juni nach einer gemeinsamen Übung von der Reagan abgelöst und dampft dann Richtung San Diego. Das ist SNAFU und sonst nichts. Kein Grund, sich aufzuregen.

Viel interessanter wäre es, herauszufinden, was die Schiffe der DESRON 15 derzeit machen. Alle acht Schiffe des Zerstörer-Geschwaders sind BMD fähig und mit den neuesten Flugkörpern SM3 Block IIA ausgerüstet, die Mid Course Defense gegen ICBMs bieten. Diese Schiffe wären essentiell zur Raketenabwehr, wenn ein Angriff auf Nordkorea bevorstände. Benötigt würde zudem mindestens ein Cruise Missile Boot der Ohio-Klasse. Davon ist auf jeden Fall die USS Michigan SSGN 727 in der Region auf Patrouille.

„… a little bit of history repeating“

„They say the next big thing is here, That the revolution’s near, But to me it seems quite clear, That it’s all just a little bit of history repeating“. Was aber haben Shirley Bassey und die Propellerheads mit dem Iran, Mahmud Ahmadinedschad und Esfandiar Rahim Mashaei zu tun? Vermutlich ebenso viel wie Wladimir Putin und Dmitri Medwedew. Die Story ist nämlich dieselbe: Ein Präsident, der abtreten muss, weil es die Verfassung so vorsieht, schiebt seinen besten Freund als Marionette Nachfolger vor, um selber weiter an den Strippen zu ziehen. Von Russland lernen, heißt siegen lernen, hat sich der kleine Ahmadindschihad vermutlich gedacht …

Machtkampf in Nordkorea?

„Außer Spesen, nix gewesen“, mag man mit Blick auf den Verlauf der Krise um Nordkorea sagen. Nachdem ungefähr drei Wochen lang kein Tag vergangen ist, ohne dass neue Drohungen aus dem hermetischen Nordkorea kamen, ist nun seit fast zwei Wochen totale Funkstille. Auch die Medien haben, so scheint’s, das Thema mangels schlechter Neuigkeiten ad acta gelegt.

Was, so fragt man sich nun vielleicht, sollte das Ganze? Mal abgesehen davon, dass auch bizarre Potentaten wie Kim Jong Un nicht eine internationale Krise heraufbeschwören, nur weil das Frühstücksei zu hart gekocht war, waren vernünftige Thesen für die nordkoreanische Theateraufführung Mangelware. Hier nun eine, die mir recht wahrscheinlich scheint.

Mehrere Dinge fallen im Vorfeld und dem Verlauf der Krise auf:

1. Wenig außerhalb der Fachkreise beachtet, hat Kim Jong Un schon im vergangenen Jahr damit begonnen, Dutzende verdienter Militärs und Geheimdienstler ihrer Positionen zu entheben, zu degradieren und/oder aus dem Zentralkomitee zu werfen. Einen detaillierten Überblick dieses umfangreichen Revirements findet man  bei „38 North“.

2. Kim Jong Un hat auch sozialpolitisch und wirtschaftlich Reformen eingeleitet wie ebenfalls „38 North“ vermeldete.

3. Kim Jong Un will sich offenbar unbedingt von seinem schwachen Vater Kim Jong Il distanzieren und mit der Selbststilisierung in Richtung seines Großvaters Kim Il Sung an höhere Luftsschichten ankoppeln. Dies zeigt seine Politik, die mehr den großen Sprung seines Großvaters als das minimalistische Klein-Klein seines Vaters betont. Selbst in der Kleidung und dem Gestus eifert er Kim Il Sung nach: Während sein Vater gerne in bequemem DDR-Grenzer-Leibchen auftrat, zeigt sich Kim Jong Un stets in Anzug – klassisch oder Mao-Stil – und in langem schwarzem Wollmantel – eine deutliche Reminiszenz an Kim Il Sung. Selbst die Gesten kim Jong Uns zeigen beim Vergleich mit alten Fotos von Kim Il Sung eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Großvater.

Kim_Il_Sung1940s

Kim Il Sung mit etwa 30 Jahren (aufgenommen in den 1940er Jahren)

Kim-Jong-Un-2012

Kim Jong Un (29) bei der Ansprache zum 100 Geburtstag von Kim Il Sung 2012

 

Warum also sollte ein Machthaber, der Reformen einzuleiten begonnen hat, der verdiente Hardliner degradiert oder an die frische Luft befördert hat und an ihre Stelle Reformer und Vertraute gesetzt hat und der innenpolitisch eine knallharte Politik der Machtkonsolidierung weit über das Niveau von Kim Jong Il betreibt, ohne Not eine außenpolitische Großkrise vom Zaun brechen?

Die Antwort gibt neben der deduktiven Logik auch das Blog „The War Room“ : In Nordkorea tobt ein Kampf um die Macht im Staate. Ausgetragen wird er vom Militär, das unter dem schwachen Kim Jong Il einen starken Machtzuwachs verzeichnen konnte und der zivilen Führung von Partei und Staat. Kim Jong Un muss zeigen, wer in Nordkorea die Hosen an hat. Das außenpolitische Getöse war vor allem nach innen gerichtet.

Über die weiteren Pläne des Polit-Youngsters lässt sich nur trefflich spekulieren. Eine derartige Machtkonsolidierung, verbunden mit der Entmachtung alter Militärs und des Geheimdienstes könnte sehr wohl die Vorbereitung zu einer umfassenden Reform Nordkoreas sein. Wer dort die herrschenden Verhältnisse tiefgreifend verändern will, muss die Herrschaft fest in Händen halten.

Die Sache mit den Atombomben

Während die Töne aus Pjöngjang immer schriller werden, Medien gerne und viel vom „Atomwaffen-Staat Nordkorea“ reden und spekulieren, mit welchen Raketen Nordkorea die USA oder US-Stützpunkte erreichen könnte, wird eines leider häufig übersehen: Der Umstand, dass Nordkorea mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen einzigen erfolgreichen Atomtest zuwege gebracht hat und der Umstand, dass Nordkorea mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine einzige Kernsprengladung besitzt, geschweige denn eine echte Atombombe.

Aber hat nicht Nordkorea drei Atomtests durchgeführt?

Richtig ist: Nordkorea hat behauptet, drei Atomtests durchgeführt zu haben. Davon war aber vermutlich nur der erste, am 9. Oktober 2006, tatsächlich ein – wenn auch gescheiterter – Kernwaffentest.  Es handelte sich dabei höchstwahrscheinlich um eine Plutonium-Implosions-Vorrichtung, da Nordkorea zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit lediglich waffenfähiges Plutonium und kein oder bei weitem nicht genug hochangereichertes (>90% 235U) Uran besaß.  Die Sprengvorrichtung generierte laut internationaler Schätzungen eine Leistung von 550 Tonnen TNT-Äquivalent, also eine gute halbe Kilotonne. Dies allerdings entspricht ziemlich genau einem so genannten „nuclear fizzle“, einer Verpuffung, die dann entsteht, wenn die komprimierte Plutoniummasse nicht lange genug (ungefähr nur 55 Neutronengenerationen oder „shakes“) eingeschlossen werden kann und eine der Einschlussformen (Schwadeneinschluss, statischer Einschluss, Strahlungseinschluss) nicht funktioniert oder der Alpha-N-Initiator nicht oder falsch funktioniert.

Der erste Test war mithin ein Fehlschlag, das Design fehlerhaft. Immerhin konnten nach dem Test durch die CTBTO (Comprehensive Test Ban Treaty Organisation) Spuren des radioaktiven Edelgases 135-Xenon in der Atmosphäre detektiert werden, ein Edelgas-Isotop, das nur bei Kernspaltungen entsteht.

Beim zweiten Test, am 25. Mai 2009, wurden wiederum Erderschütterungen gemessen, die laut Nordkorea durch einen unterirdischen Atomtest hervorgerufen wurden. Russische Messstationen schätzten die Sprengkraft auf rund 20 Kilotonnen TNT-Äquivalent, was jedoch unglaubwürdig blieb, da das russiche Messnetz für derartige Events schlecht bis nicht existent ist. Die glaubwürdigste Schätzung lieferte Liang Feng Zhao von der Amerikanischen Seismologischen Gesellschaft, der die Sprengkraft auf nur ein Zehntel dessen, bei etwa 2,35 Kilotonnen einsortierte. Signifikant bei diesem Test war aber auch, dass alle Messungen nach radioaktiven Edelgasen, speziell 135Xe, vergeblich waren. Es gelang weder der CTBTO noch anderen Messstationen irgendwelche Spuren zu finden. Ob die USA, die selbst ein Messnetz – das Nuclear Detonation Detection System USNDS – unterhalten, das als das beste und größte gilt, Spuren feststellen konnten, ist nicht bekannt. Messergebnisse der US-Flüge zur Sammlung von Atmosphärenproben oder Messergebnisse des USNDS wurden nie veröffentlicht.

Das Fehlen entsprechender radioaktiver „Footprints“ erklärte Nordkorea nachträglich damit, eine Methode entwickelt zu haben, alle Folgeprodukte unterirdischer Tests unter Tage zu halten. Dies wurde auch in einem fiktionalen nordkoreanischen Spielfilm thematisiert, dessen Bilder später als authentische Aufnahmen des zweiten Tests verkauft wurden.

Eine wesentlich andere Erklärung für den zweiten Test hat hingegen Geoffrey Forden vom MIT vorgeschlagen. In einem Beitrag für das renommierte Arms Control Wonk beschrieb er 2009 wie sich eine unterirdische Atomexplosion mit gut 2500 Tonnen konventionellen Sprengstoffs, den man monatelang unauffällig mit Lastwagen heranschafft, die ohnehin an der Baustelle benötigt würden, simulieren lässt.

Beim dritten so genannten Atomtest Nordkoreas am 12. Februar 2013  ist die Sachlage nun ähnlich. Auch dieses Mal konnte eine Erderschütterung registriert werden, von der Pjöngjang behauptet, sie sei durch einen Atomtest verursacht. Die Sprengkraft wurde auf sechs bis sieben Kilotonnen TNT-Äquivalent geschätzt. Allerdings konnten auch dieses Mal keinerlei Spuren radioaktiver Edelgas-Isotope gemessen werden. Die USA hielten sich mit Bewertungen und Messwerten wieder zurück, obwohl sie das bei weitem beste Messnetz besitzen (warum, dazu mehr in einem der kommenden Posts).

Neuen Zündstoff hat nun wieder der jüngste Newsletter „Trust and Verify“ der Verifikationsorganistaion VERTIC (Verification Research, Training and Information Centre) geliefert. Gestützt auf Messdaten des CTBTO-Infraschall-Messnetzwerkes diskutieren die VERTIC-Experten Stärke und Ursache des jüngsten Erdstoßes. Dabei greifen sie Idee einer Explosion konventioneller Sprengstoffe wieder auf, was in Fachkreisen für große Aufmerksamkeit sorgte. Ausdrücklich schließt VERTIC die Möglichkeit einer Detonation konventioneller Sprengstoffe nicht aus und verweist zudem auf das Fehlen jeder 135Xe-Spur.

KKW Buschehr bald wieder am Netz

Das im Oktober vorübergehend stillgelegte Kernkraftwerk Buschehr wird bald wieder ans Netz gehen. Dies hat der Direktor der Atomenergieorganistaion von Iran, Fereydoon Abbasi, mitgeteilt. Das KKW war im Oktober stillgelegt worden, weil im Reaktordruckgefäß Bolzen und Schweißrückstände entdeckt worden waren, die, so Abbasi, zu „abnormalen Werten“ geführt hätten. Um die Baureste zu entfernen, mussten auch die Brennstäbe entnommen werden.

Dazu stellen sich zwei Fragen: 1. Wie lange waren die Brennstäbe bereits im Reaktor und welche Menge an Plutonium239 enthalten sie? 2. Werden alle entnommenen Brennstäbe wieder eingesetzt oder werden auch neue, bislang unbestrahlte Brennelemente, eingesetzt?

Hintergrund: Wenn die entnommenen Brennstäbe nicht zu lange bestrahlt wurden, könnte der Anteil an 239Pu hoch genug und die Verunreinigung mit 240Pu gering genug sein, um aus den Brennstäben bombenfähiges Plutonium mit einer Reinheit von 93 Prozent 239Pu oder besser, so genanntes „supergrade Plutonium“ zu gewinnen.

Präsident von Mullahs Gnaden

Gegen die neuen Bestimmungen zur Präsidentschaftswahl im Iran protestiert nun sogar der amtierende Staatspräsident Ahmadinedschad. Die vom Majlis, dem iranischen Parlament, verabschiedeten neuen Regeln schreiben vor, dass ein Präsidentschaftskandidat Erfahrung in einem Ministeramt haben muss und zudem von wenigstens 300 „politischen und religiösen (Führungs-)Persönlichkeiten“ unterstützt werden muss. Erst dann kann der oberste Wächterrat über die Zulassung als Präsidentschaftskandidat entscheiden.

Die neuen Bestimmungen zielen offenbar darauf, Ahmadinedschads Favorit für das Präsidentenamt, Esfandiar Rahim Mashaie, zu blockieren. Irans Staatspräsident, sonst nicht zimperlich, was die Verfassung des Landes angeht, bezeichnete die Regelungen denn auch als „verfassungswidrig“. Die neuen Bestimmungen liefen darauf hinaus, dass ein Präsident gar nicht mehr vom Volk gewählt werden könne, sondern bestimmt werde.

Neue Raketenlieferung für Hamas?

Der russische Fernsehsender Russia Today hat unter Berufung auf die israelische Seite DEBKAfiles gemeldet, ein iranischer Frachter mit 50 zerlegten Fajr-5-Raketen sei auf dem Weg nach Gaza. Der – eher kleine – 150-Tonnen-Frachter sei am Sonntag, den 18. November aus Bandar Abbas aufgebrochen. Das Schiff, so DEBKA, sei die „Vali-e Asr“ der staatlichen iranischen Reederei. Es habe jedoch bald nach Verlassen des Hafen seinen Namen auf  „Cargo Star“ mit Heimathafen Tuvalu geändert (ein Check bei Marinetraffic verlief jedoch ergebnislos). Das Schiff soll im Meer vor Port Sudan von vier Booten erwartet werden, auf die die Fracht umgeladen werden soll. Von dort sollen die Raketenteile entweder im Sudan eingelagert oder über ägyptische Schmuggelboote weiter in den Sinai gebracht und dort über die „Tunnel-Grenze“ in den Gazastreifen geschmuggelt werden. Vorsicht ist jedoch bei der Quelle dieser Informationen angebracht: DEBKAfiles gilt als PR-Postille des Mossad.

Offiziell: Deutsche Patriots in die Türkei

Jetzt ist es offiziell: Deutsche Patriot-Batterien für die Türkei.

Dies hatte sich ja schon vor zwei Wochen angedeutet, als die Nachricht von der Anforderung die Runde machte. Fragt sich nur noch, welchem Zweck sie dienen sollen. Auch bis heute hat Syrien die Türkei weder mit Kampfflugzeugen noch mit ballistischen Raketen angegriffen.
Damit bleibt die Spekulation, dass die Patriots anfliegende iranische Shahab-3 abwehren sollen, falls die USA den Iran angreifen und dieser mit Raketen Vergeltung üben will. Es nährt auch die Spekulation, die Isarelis könnten bei einem eigenen Angriff die Nordroute entlang der syrisch-türkischen Grenze nehmen.

 

 

 

Deutsche Patriot-Raketen in die Türkei?

Gestern berichtete „Rheinhesse“:

Die NATO bereitet offenbar Größeres vor. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte heute gegenüber türkischen Medien, die NATO stationiere PATRIOT-Systeme in seinem Land. Da niemand mit Patriots auf vereinzelte syrische Artilleriegranaten schießen wird (was eine ganz neue Qualität von ‘mit Kanonen auf Spatzen schießen’ wäre), geht es offensichtlich doch darum, die Türkei für den Fall eines Luftschlages gegen Atomanlagen in Iran flugabwehrtechnisch zu ertüchtigen. Israel ist ja schon entsprechend versorgt. Kein Wunder – die US-Wahl ist ja seit ein paar Stunden entschieden …

Dazu ein Update: Auch mit Deutschland wird vermutlich über die Entsendung von Patriot-Systemen gesprochen. Innerhalb der NATO betreiben nur die USA, Deutschland, die Niederlande und Griechenland Patriot-Systeme. Da die Griechen vermutlich ausscheiden, die USA schon in Israel, Katar und den VAE recht exponiert sind, dürften Gespräche derzeit nur mit Deutschland und den Niederlanden stattfinden. Dies berichtet Augen geradeaus.

Update 2: Der türkische Staatspräsident Abdullah Gul hat sich jetzt offiziell zum Thema Patriot-Stationierung geäußert, berichtet Reuters:

Speaking to reporters on Thursday, Gul said Turkey had no intention of going to war with Syria but that it wanted to take steps against any possible threat from its southern neighbor.

„When these type of potential dangers are out there, all the necessary precautions are taken. One of these precautions is to take measures to counter ballistic missiles, medium and short-range missiles,“ Gul told reporters.

Auffallend ist, dass Gul nur von einer Bedrohung durch Raketen spricht. Raketen, die Syrien bislang nie gegen die Türkei eingesetzt hat, weder vorsätzlich noch irrtümlich.